„Der digitale Flickenteppich in Oberfranken wird täglich sichtbar und vor allen Dingen spürbar“

Die Folgen der Pandemie führen die Mängel in der digitalen Infrastruktur wie unter dem Kaleidoskop zu Tage. Im Interview erläutert die Vorstandschaft des IT-Clusters, Hans Ulrich Gruber, Thomas Feike und Mario Mages, wo die Herausforderungen, Handlungsfelder und auch Chancen liegen.

In Zeiten von Corona bekommt die digitale Infrastruktur eine besondere Bedeutung, in welchem Bereich ist sie derzeit besonders wichtig?

Hans Ulrich Gruber: Die letzten Meter in die Privatwohnung sind, wie auch in die Firma, die wichtigsten. Alle Versäumnisse der letzten Jahre kommen jetzt hoch. Videokonferenz vom Homeoffice – ist das überhaupt möglich? Dass alle Mitarbeiter von außen auf das firmeneigene Rechenzentrum zugreifen, gibt das die Leitung überhaupt her?

Thomas Feike: Digitale Infrastruktur ist nicht nur in Zeiten von Corona für Unternehmen und Privatpersonen besonders wichtig. Zwischenzeitlich stellt eine performante Internet-Anbindung in allen Lebensbereichen einen erfolgsentscheidenden Faktor dar. Man kann hier bereits von einem Grundbedürfnis sprechen. Vielleicht wäre an dieser Stelle der Gesetzgeber gefordert.

Mario Mages: Durch Corona ist es ja geboten, das öffentliche und soziale Leben weitestgehend herunterzufahren. Umso wichtiger ist es für die Menschen nun, virtuell in Kontakt zu bleiben und aus Unternehmenssicht müssen aktuell so viele Prozesse wie möglich remote laufen. Dafür ist eine stabile digitale Infrastruktur unerlässlich. Denn: ohne Internetverbindung auch keine Produktivität.

Wie beurteilen Sie die digitale Infrastruktur in Oberfranken insgesamt?

Thomas Feike: Jetzt in der aktuellen Krisensituation wird der digitale Flickenteppich in Oberfranken sichtbar und vor allen Dingen täglich spürbar. Bisher hat man in diesem Zusammenhang lediglich immer von Funklöchern gesprochen, die sich in wirtschaftlich „unwichtigen“ Regionen befinden. Aber, dort wohnen und leben nun einmal die Mitarbeiter der Unternehmen, die jetzt den Geschäftsbetrieb remote aus ihren Homeoffices am Laufen halten sollen und müssen. Das heißt, nicht nur die Produktionsräume der Unternehmen „links und rechts der Autobahn“, sondern auch der private Wohnraum im rein ländlichen Bereich muss infrastrukturell top angebunden sein. So schnell kann sich der Blickwinkel und vor allen Dingen die Priorität der Bedeutung ändern – hoffentlich nachhaltig!

Hans Ulrich Gruber: Es gibt Teilflächen, bei denen sind wir gut aufgestellt. Ich wohne „Gott sei Dank“ in so einer Gemeinde. Aber der überwiegende Teil fühlt sich an wie in der Savanne oder im Dschungel. Kupferkabelland! Da steht man dann am Rand und schaut zu, wie die anderen schnelles Internet haben.

Mario Mages: In den Städten ist man gut aufgestellt, aber einige ländliche Ecken hinken immer noch hinterher. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass oftmals das Problem nicht die fehlende Bandbreite ist, sondern bei den jeweiligen Servern durch zu viele Anfragen der Datenstau entsteht. Beispielsweise ist bei ruckelnden Videokonferenzen nicht eine zu kleine Datenleitung das Problem, sondern es ist die Infrastruktur des Softwareanbieters selbst.

Welche Maßnahmen sind jetzt besonders wichtig?

Mario Mages: Glasfaserausbau, aber auch die letzte Meile – sprich der Hausanschluss – muss noch aufgerüstet werden. Wenn Glasfaser letztendlich auf ein Kupferkabel trifft, ist es so, als wenn die Autobahn in einem Feldweg mündet.

Hans Ulrich Gruber: Glasfaser verlegen, Glasfaser verlegen, Glasfaser verlegen: Aber bitte auf dem neuesten Stand. 50 Mbit ist kein schnelles Internet! Das ist mit 90 Stundenkilometer über die Autobahn fahren! Jeder Haushalt sollte mindestens 200 Mbit haben, das fühlt sich dann wie 130 auf der Autobahn an. Wer freie Fahrt für freie Bürger auf der Autobahn fordert, sollte wissen, das sind 500 Mbit.

Thomas Feike: Für die meisten Unternehmen sind schnelle Leitungen zwischenzeitlich zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor geworden. Ungleiche Bedingungen führen zu Verzerrungen im Markt. Das beginnt schon damit, dass es Städte gibt, in denen die Anbindung grundsätzlich gut ist, aber es hier bestimmte Straßenzüge oder Stadteile gibt, die eben sehr schlecht angebunden sind. Die Firmen sind hier gezwungen die Anbindung in eigener Regie, zum Beispiel über Richtfunk, zu realisieren. Nur, nicht jedes Unternehmen kann und will sich diese sehr teure und störungsanfällige Variante der Datenübertragung leisten. Dann wären da auch noch die Telekommunikationsanbieter, die aufgrund ihrer Stellung im Markt Tarife auf LTE-Volumen begrenzen: Mehr Wettbewerb würde hier helfen.

Welche Chancen bietet die Corona-Krise beim Thema digitale Infrastruktur?

Thomas Feike: Leider muss eine Pandemie „helfen“, die infrastrukturellen Defizite konkret zu erkennen und nun endlich in den Fokus dieser Betrachtung zu stellen. Jeder, der jetzt verstärkt remote unterwegs ist, bekommt es nun im Daily Business real zu spüren, wie wertvoll es ist, eine gute Anbindung zu haben. Aufgrund der momentanen Aktualität steht gerade das Thema Homeoffice im Vordergrund. Dies stellt aber nur einen Teilaspekt des erforderlichen Lösungsansatzes dar.

Hans Ulrich Gruber: Jeder sieht jetzt, wie wir aufgestellt sind. Traurig ist dabei, dass wir erkennen müssen, dass Entwicklungsländer viel besser da stehen als wir. Hoffentlich haben es nun alle begriffen, dass wir sehr zügig nun flächendeckend schnelles Internet brauchen.

Mario Mages: Die größte Chance ist, dass viele Unternehmen, die ansonsten in ihrem Tagesgeschäft erstickt sind, nun endlich die Zeit haben, die eigene Digitalisierung voranzutreiben. Dadurch steigt auch der Druck, die Defizite bei der digitalen Infrastruktur anzugehen. Hinterher werden dann wahrscheinlich alle froh sein, diesen Sprung geschafft zu haben, der unser Wirtschafts- aber auch unser gesellschaftliches Leben auf eine andere Stufe heben wird.

Welches Feedback erhalten Sie von Unternehmen des IT Clusters zu diesem Thema?

Hans Ulrich Gruber: Probleme im Zugriff der Mitarbeiter aus dem Homeoffice, da sie eine schlechte Leitung daheim haben.

Thomas Feike: So trivial es klingt, es dreht und wendet sich alles um das Thema „infrastrukturelle Voraussetzungen“ im Business, als auch im Privaten.

Mario Mages: Dass viele gerne mehr Bandbreite hätten, als ihnen zur Verfügung steht.