Digitalisierungsschub durch Corona?

Erkenntnisse aus dem digitalen Wandel zu Pandemiezeiten

Am 8. Juni 2021 fand unser Event zum Thema Arbeit 4.0 statt. Gemeinsam mit vielen Mitgliedern des IT-Clusters Oberfranken beschäftigten wir uns detailliert mit dem Einfluss der Corona-Pandemie auf die Digitalisierung lokaler Unternehmen.

Nach der Begrüßung durch Hans Ulrich Gruber, Vorstandsvorsitzender des IT-Clusters Oberfranken, startete das Event mit einem Vortrag von Patrick Boos, dem CEO der BAUR-Gruppe.

#embaurment als Wegbereiter

Natürlich war jeder Zuhörer gespannt zu erfahren, wie ein Online-Händler mit einem jährlichen Umsatz in hoher dreistelliger Millionenhöhe die Corona-Pandemie erlebte. Mit der Antwort haben nur die wenigsten gerechnet: die BAUR-Gruppe vermied nicht bloß Verluste, sondern verzeichnete sogar Rekordgewinne! Mit der Pandemie als regelrechten Rückenwind wuchs der Umsatz der Unternehmensgruppe über alle Sparten hinweg auf insgesamt beinahe eine Milliarde Euro an.

Das Unternehmen konnte während der Pandemie seine Stärken im Bereich Logistik & eCommerce perfekt ausspielen und sogar noch weiter ausbauen.

Patrick Boos (CEO der BAUR-Gruppe) selbst hat bereits 25 Jahre Erfahrung mit Online-Geschäftsmodellen. Nebst Gründung eines eigenen Unternehmens war Boos unter anderem auch schon bei eBay und Axel Springer beschäftigt. Besonders die Transformation von Unternehmen bereitet ihm großen Spaß – und der Wandel von BAUR ist Beweis für seine Expertise.

Wahrend der Pandemie und dem damit eingehenden Wandel der Arbeitswelt setzen Boos und seine Mitarbeiter ganz auf die firmeninterne #embaurment-Bewegung, abgeleitet vom englischen Empowerment – was übersetzt so viel bedeutet wie Befähigung. Ziel dessen ist nicht etwa eine kurzfristige Kampagne oder ein Marketing-Stunt, sondern ein firmeninterner Kulturwandel, den es langfristig zu etablieren gilt. Besonderer Wert wird dabei auf die Einzigartigkeit der Marke BAUR, sowie der Akzeptanz des Scheiterns als Teil des Wandlungsprozesses gelegt. 

Dabei verfolgt die BAUR-Gruppe neue Ansätze der Personalführung, bei denen die Rollen nicht mehr auf Basis der Seniorität einzelner Mitarbeiter verteilt werden, sondern auch disruptive Ansätze Anklang finden. Boos und die restliche Führungsriege leben die Transformation mit gutem Beispiel vor und schufen zudem eine heterogenes Kulturwandel-Team aus verschiedensten Mitarbeitern mit langer Betriebszugehörigkeit.

Wie dieser Wandel im Detail aussieht, zeigte Boos in eine Gegenüberstellung mehrerer Situation früher und heute:

-früher war Siloarbeiten – heute crossfunktional

-früher war Wasserfall – heute ist Scrum

-früher galt das Pflichtenheft – heute der MEP-Ansatz

-früher das Einzelbüro – heute für alle Mehr-Personen-Büros und Coworking Spaces

-früher wurde per Papier oder Mail gearbeitet – heute in Teams etc.-

früher war die Führungskraft Manager – heute Coach

-früher wurden Kollegen gemanaged – heute werden sie geführt

Trotz anfänglicher Skepsis mancher Mitarbeiter entwickelte sich der Ansatz des  Anywhere Office – also des Arbeitens von „überall aus“ – prächtig. Bald schon konnten über 90 Prozent der Arbeitsabläufe und sogar ein Großteil des Callcenters ins Homeoffice überführt werden.

Des Weiteren stieg in dieser Zeit sowohl die Produktivität der Mitarbeiter als auch die Transparenz der geleisteten Arbeit. Doch wo Licht is, ist auch Schatten. So empfanden viele Mitarbeiter die Arbeit von zuhause aus erschöpfender als jene im Büro und hatten teilweise Probleme mit der Trennung von Job und Familie.

Für die Zukunft setzt die Unternehmensgruppe deshalb auf The Best Of Both Worlds, nämlich einen flexiblen Mix aus Präsenzarbeit und Homeoffice. So kann beispielsweise das konzentrierte und fokussierte Arbeiten weiterhin in den eigenen vier Wänden stattfinden, während kreative Strategieentwicklungen gemeinsam im Büro behandelt werden.

Laut Boos war Covid-19 also definitiv ein „Digitalisierungsbeschleuniger“ für sein Unternehmen, das aufgrund guter Vorbereitungen und bestehender Strategien exzellent durch die Pandemie navigierte. 

ERP-Consulting in Pandemiezeiten

Zweiter Redner des Events war Thomas Feike, Bereichsleiter Vertrieb+Marketing  der VLEXsoftware+consulting gmbh sowie Vorstandsmitglied im IT-Cluster. Auch er sprach vor allem von positiven Einflüssen der Corona-Pandemie auf seine Arbeit.
So war unter seinen Kunden die Akzeptanz der Terminumstellung auf Onlineformate durchweg hoch – auch weil es eben nicht anders ging. 

Schwierigkeiten, so Feike, waren eher in den Firmen selbst zu beobachten. Viele Mittelständler weigerten sich anfangs stark gegen Homeoffice, da sie den Zugriff auf die Arbeitsrechner von zu hause aus als kritisch erachteten.

Dennoch mussten sich auch solche Firmen letztendlich darauf einlassen, dass dieser Wandel nur schwer, wenn nicht gar unmöglich, zu verhindern ist.

Ein besonderes Erfolgserlebnis konnte Feike in Österreich verzeichnen: dort wurde ein produzierendes Unternehmen komplett remote mit der Business Software ERP VlexPlus zum Jahreswechsel  in den Echtbetrieb genommen und es hat unglaublich gut funktioniert. Sowohl Feike als auch sein Kunde waren positiv überrascht von der reibungslosen Inbetriebnahme. Vor der Pandemie wäre man mit so einem Vorschlag: “wir machen das remote” für weltfremd gehalten worden.

Mittlerweile werden auch Personal- und Zielvereinbarungsgespräche von Thomas Feike komplett remote geführt und es kam nie zu großen Schwierigkeiten. Dennoch freut sich auch Feike wieder auf Präsenztermine – obgleich er auch anmerkte, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit viele der in Corona-Zeiten eingeführten Arbeitsweisen und Werkzeuge auch nach der Pandemie bleiben werden. 

Weitere positive Nebeneffekte der Pandemie seien außerdem die Reduktion der Fahrtkosten und die Zeitersparnis.

Die Unternehmen haben zwischenzeitlich erkannt, so Feike, welch großes Potential in Sachen Digitalisierung in allen Geschäftsbereichen besteht und stehen diesen Themen nun grundsätzlich interessiert gegenüber.

In der anschließenden Diskussion waren sich Teilnehmer und Referenten einig, die Vorteile der Digitalisierung in der Arbeitswelt sollen beibehalten werden. Informationen, die in Videokonferenzen geteilt werden und keine Fahrtzeit beanspruchen, konzentriertes Arbeiten am heimischen Arbeitsplatz oder ein flexibles Arbeitszeitmodell, das durch ein “Anywhere-Office” erreicht wird. Aber auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen vor Ort oder die gemeinsame Mittagspause in der Kantine freuen sich alle, denn der ‘richtige’ Kontakt zu den Kollegen und Mitarbeitern macht doch einen Großteil der Arbeit aus.

Autor: Louis Beul